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Von der Übersetzung in die Kanzlei

Mélissa Blin ist Mitarbeiterin an der Abteilung VI. Sie spricht über ihre Laufbahn und die wichtige Rolle einer Kanzlei im Gerichtsbetrieb.

26.11.2024 - Stéphane Oppliger

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Mélissa Blin sitzt vor dem Bundesverwaltungsgericht
In einer Kanzlei wird es nie langweilig. (Bild: Daniel Winkler)

Mélissa Blin arbeitet erst seit einem Jahr beim Bundesverwaltungsgericht, wohnt aber schon seit acht Jahren in St. Gallen und fühlt sich hier zu Hause. Aufgewachsen ist sie an der «Route des vins» im Burgund und hat sich schon in jungen Jahren für Fremdsprachen begeistert. Darum ist sie in Dijon ein Studium für angewandte Fremdsprachen mit Schwerpunktgebiet Deutsch und Englisch eingestiegen, das sie in Strassburg mit einem Master in Übersetzung abgeschlossen hat. Ihre Affinität für die Sprache Goethes entstand, als sie Teenagerin war und während eines Sprachaustauschs in einem deutschen Dorf das Gespräch mit der Dorfjugend suchte. Danach zog es sie bei der Berufswahl logischerweise zur Übersetzung. Vor acht Jahren fand sie per Zufall eine Übersetzerstelle in St. Gallen. 

Im Studium hatte Mélissa auch juristische Themen gestreift, was ihr ausgesprochen gut gefiel. Darum ergriff sie bei einer beruflichen Neuorientierung ganz selbstverständlich die Gelegenheit, in die Kanzlei der Abteilung VI zu wechseln. In ihrer neuen Funktion sind die früher angeeigneten Kenntnisse äusserst nützlich. Vertiefte juristische Vorkenntnisse findet sie zwar nicht unerlässlich, aber dringend empfehlenswert. Auch wenn sie im Studium französisches Recht kennenlernte, entwickelte sie damit ihr Verständnis für rechtliche Themen. Mélissa erinnert sich an eine früher gehörte Aussage: «Jus ist speziell. Wer damit arbeiten will, braucht etwas Affinität.»

«Unsere Arbeit wird bisweilen unterschätzt, erfordert aber viel Präzision und Konzentration. Wir müssen jederzeit allerlei bedenken und berücksichtigen.»

Mélissa Blin

Kanzleiarbeit ist Präzisionsarbeit
Mélissa fasst die Funktion der Kanzlei als «Sicherheitsnetz und Schnittstelle zwischen Gericht und Parteien» zusammen. Als Schnittstelle erfüllt die Kanzlei eine zentrale Rolle, denn fast alle Kontakte zwischen den Parteien und dem Gericht führen hier vorbei: Schriftverkehr per Post und E-Mail, Telefonate, Versand der Entscheide, Aufbereitung der eingehenden Beschwerden usw. Statt der Bezeichnung «Kanzleimitarbeiterin», die sie zu vage findet, nennt sich Mélissa gern «juristische Sekretärin in Rechtsausbildung». «Unsere Arbeit wird bisweilen unterschätzt. Dabei erfordert sie Gründlichkeit und Konzentration. Wir müssen jederzeit allerlei bedenken und berücksichtigen.» Gerade für die Funktion als Sicherheitsnetz muss die Kanzleiarbeit ausgesprochen gründlich sein, namentlich bei der Prüfung des Rubrums, des Dispositivs und der Nennung bestimmter Rechtsvorschriften, wie dies für das Bundesblatt der Fall ist. 

Bodenhaftung behalten
Am meisten gefällt Mélissa an ihrem Beruf, dass er so vielfältig und anregend ist. Es gibt keine Zeit für Langeweile, aber immer Verbesserungsmöglichkeiten. Dies bedeutet aber auch, dass man «flexibel, resilient und beherrscht» sein muss, so Mélissa. Nach Feierabend geht sie oft zum Fitness und zum Spinning, um sich abzureagieren, aufzutanken und ihre persönliche Life-Work-Balance zu pflegen. Auch die Mehrsprachigkeit ist für die Kanzleiarbeit essenziell, für Mélissa eigentlich der Dreh- und Angelpunkt. Sie findet Deutschkenntnisse schlicht entscheidend. 

Aber auch die menschliche Ebene sei wichtig. An der Abteilung VI werden Bereiche wie das Asyl- und das Ausländerrecht behandelt, in denen das Zwischenmenschliche eine besonders grosse, auch komplexe Rolle spielt. Es kommt vor, dass die Kanzleimitarbeitenden Telefonate von verzweifelten Beschwerdeführern entgegennehmen oder bei der Zusammenstellung einer Akte auf schwierige Bilder stossen. Mélissa helfen solche Erfahrungen, «Bodenhaftung zu behalten, zu realisieren, in welcher Welt wir leben und wie grosses Glück wir eigentlich haben».

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