Zollikofen – St. Gallen einfach
Als Regula Otter Ende Mai 2012 einen letzten Rundgang durch die leeren BVGer-Büros in Zollikofen bei Bern machte, war sie überzeugt, diejenige zu sein, die auf den beiden Stockwerken der Abteilung V endgültig das Licht löschen würde. Das Zügelteam hatte zuvor all die Kisten mit Verfahrensakten, Computern und Büromaterial abgeholt, um sie übers Wochenende nach St. Gallen ins neu errichtete Gerichtsgebäude zu bringen. «Es war eine spezielle, etwas triste Stimmung», erinnert sich die Leiterin der Abteilungskanzlei V. «Ich wähnte mich allein in den leergeräumten Büros, bis ich im letzten Büro neben dem Eingang noch auf einen einsamen Gerichtsschreiber beim Aufräumen seiner Aktenberge stiess.»
Zu jenem Zeitpunkt arbeitete sie schon seit zwei Jahren als Kanzleileiterin beim BVGer, und weil ihr die Arbeit so gut gefiel, war bald klar, dass sie den Umzug nach St. Gallen mitmachen würde. Dabei hatte sie sich ursprünglich nur auf Drängen des Temporärbüros auf die Stelle beworben, da ihr eine frühere Tätigkeit bei einem Anwalt nicht sonderlich gut gefallen hatte. Ihre Lieblingsbranche war das Verlagswesen; sie hatte bei der Limmatdruck AG in Spreitenbach die Abonnementsverwaltung der Zeitschrift «Saisonküche» aufgebaut, liebte «das Haptische, den Geruch des Papiers in der Druckerei». Pionierarbeit leistete sie auch beim Aufbau der Abonnementsverwaltung des Migros-Blumenversands Florissimail. Für eine Stelle beim Stämpfli-Verlag zog die gebürtige Aargauerin dann nach Bern. Nach einem Jahr verabschiedete sie sich aber endgültig vom Traum, in einem Buchverlag zu arbeiten, und wechselte zur BLS. «Als Assistentin der Leiterin Personenverkehr gefielen mir die vielfältigen Aufgaben und die Kontakte zu Lokführern, Gleisarbeitern und Matrosen.»
«Der Umzug von Bern – nahe der Romandie – nach St. Gallen bereitete mir auch darum keine Mühe, weil wir sprachlich die ganze Schweiz mitnahmen.»
Regula Otter
Zum Coiffeur nach Jegenstorf
Insbesondere aus Faszination am mehrsprachigen Umfeld liess sie sich danach beim Bundesverwaltungsgericht wieder auf die Justizwelt ein. Ihre Liebe zu den Sprachen hatte sie schon nach der Handelsschule dazu bewogen, die Matura nachzuholen und einige Semester Romanistik zu studieren. «Der Umzug von Bern – nahe der Romandie – nach St. Gallen bereitete mir auch darum keine Mühe, weil wir sprachlich die ganze Schweiz mitnahmen», sagt die 59-Jährige. Dennoch gab sie ihre Wohnung in Jegenstorf erst auf, als sie im November 2012 im thurgauischen Hauptwil eine stimmungsvolle Wohnung in einem stattlichen Riegelhaus aus dem Jahr 1735 bezog. Den Kontakt zu Jegenstorf hält sie aber zumindest in einem Punkt aufrecht: Zum Coiffeur fährt sie noch immer dorthin. Oft verbindet sie dies mit dem Besuch von Freunden oder dem «Lädele» unter den Arkaden der Berner Altstadt.
Abgesehen vom Coiffeur fehlt ihr aber in der Ostschweiz nichts. Im Gegenteil: Sie geniesst die Nähe zu Deutschland und Österreich und die damit verbundene geografische und geistige Weite. Auch landschaftlich gefällt ihr die Ostschweiz mit ihren Hügeln und dem See besser als das Berner Mittelland. So spaziert und wandert sie in ihrer Freizeit gern, liest oder geht ins Kino – am liebsten ins Kinok in der Lokremise. Am BVGer-Standort St. Gallen schätzt sie, dass alle Abteilungen unter einem Dach sind – auch wenn sie sich davon mehr erhofft hätte: «Die Architektur fördert das abteilungsübergreifende Aufeinandertreffen leider nicht.» Ihre abwechslungsreiche Arbeit im Asylbereich gefällt ihr nach wie vor sehr. Sie lacht: «Dabei hat mir mein damaliger Vorgesetzter, Richter Walter Stöckli, beim Bewerbungsgespräch gesagt, dass Kanzleileiterinnen nur etwa fünf Jahre bleiben.» Bei ihr sind es mittlerweile schon zwölf. Und am Schluss des Gesprächs besteht kein Zweifel daran, dass noch etliche weitere dazukommen werden.
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