Das Poolsystem: eine Win-win-Situation
Insgesamt zählt das Bundesverwaltungsgericht 7 Pool-Gerichtsschreibende. Sie stellen für das Gericht eine wichtige Hilfe dar, denn sie steigern die Flexibilität des Personaleinsatzes und bieten bei grossem Arbeitsaufkommen Verstärkung. Pool-Gerichtsschreibende werden von der Verwaltungskommission (VK) je nach Personalbedarf für 6 bis 15 Monate einer bestimmten Abteilung zugewiesen. Der Bedarf hängt insbesondere von der Anzahl hängiger Verfahren in der Abteilung ab, aber auch von den Fällen, da Verfahren im Prinzip nicht länger als zwei Jahre dauern sollen. Die Pool-Gerichtsschreibenden tragen auch dazu bei, das «Silodenken» zu überwinden, weil sie den Austausch zwischen den Abteilungen erleichtern.
Mehrfache Dossiers
Die Pool-Gerichtsschreibenden erstellen Entscheidentwürfe unter Aufsicht der Richterinnen oder Richter, denen sie zugeteilt sind. Der Richter oder die Richterin weist die Dossiers nach Bedarf zu, bisweilen auch nach Dringlichkeit. Direkter Vorgesetzter des Pool-Gerichtsschreibers ist ein Mitglied der VK. Doch kommt es vor, dass eine Pool-Gerichtsschreiberin oder ein Pool-Gerichtsschreiber für zwei Richter gleichzeitig tätig ist. «Dies ist dann besonders anspruchsvoll, wenn es sich um unterschiedliche juristische Materien handelt», sagt Jean-Luc Bettin. Ein umfangreiches Asyldossier behandeln und daneben gleichzeitig einen Urteilsentwurf in einem anderen Rechtsgebiet verfassen, könne sehr anspruchsvoll sein. «Es kann laut Jean-Luc Bettin einfacher sein, nur für einen Richter auf einmal zu arbeiten.»
«Es ist geistig anregend, den Bedürfnissen entsprechend und zeitlich begrenzt zu arbeiten.»
Jean-Luc Bettin
Unterschiedliche Praktiken
Gerichtsschreiber Bettin ermöglicht das Poolsystem dank der Vielfalt der zu behandelnden Dossiers eine breitere verwaltungsrechtliche Erfahrung. Es sei für ihn «geistig anregend, den Bedürfnissen entsprechend und zeitlich begrenzt zu arbeiten». Es bestehen nämlich zwei Arten der juristischen Arbeit: die Vertiefung auf ein Spezialgebiet oder eine Tätigkeit für verschiedene juristische Materien. Letzterem Ansatz haben sich die Pool-Gerichtsschreibenden verpflichtet. Die Herausforderung dabei: Jede Abteilung hat ihre eigene Praxis und jeder Richter sein eigenes Verständnis davon, wie ein Urteilsentwurf verfasst sein soll. Deshalb ist es für die Gerichtsschreibenden wichtig, sich an die Materie und das Dossier, aber auch an den Richter oder die Richterin anzupassen, damit sich die Arbeitsbeziehung harmonisch und effizient gestaltet.
Analogie zwischen Dossiers
Wie die «normalen» Gerichtsschreiber erfüllt auch Jean-Luc Bettin seine Aufgabe – und erlebt auch die gleichen Herausforderungen: bisweilen komplexe Dossiers und Zeitdruck. Die verwaltungsrechtlichen Grundsätze gelten grundsätzlich für alle Fälle, egal welcher juristischen Materie. Dann findet man eine gewisse Analogie zwischen den Fällen, insbesondere das Recht auf Anhörung, das ein sehr wichtiger Grundsatz des Verwaltungsrechts ist. Für Pool-Gerichtsschreibende ist dafür keine Zusatzausbildung erforderlich. Da das BVGer Beschwerden behandelt, gilt für gleiche Verfahrensarten auch die gleiche Argumentationsweise. Die erste Instanz fällt einen Entscheid, dieser wird angefochten. Das BVGer prüft die Rechtsgültigkeit des Entscheids und fällt ein Urteil.
Erfahrung als Plus
Einen grossen Unterschied macht aber die Erfahrung aus. So sei es etwa komplizierter, direkt ab Studium als Pool-Gerichtsschreiber einzusteigen. «Komplizierter, aber machbar», findet Jean-Luc Bettin. Sowohl für Abteilungs- als auch für Pool-Gerichtsschreibende besteht die Hauptaufgabe im Schreiben von Entscheidentwürfen. Dafür bietet die akademische Ausbildung das nötige Instrumentarium. Der einzige Vorbehalt ist der Spezialisierungsgrad der Dossiers. Wettbewerb und Mehrwertsteuer sind beispielsweise so spezialisierte Rechtsgebiete, dass es schwierig ist, ein Dossier ohne Weiteres zu übernehmen. Sein Fazit: Vielfalt und Flexibilität machen das Poolsystem sowohl für das Gericht als auch den Gerichtsschreiber zum grossen Plus.
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