Diese 11 Urteile haben 2023 für Schlagzeilen gesorgt
In diesen Tagen hat das Bundesverwaltungsgericht seinen Geschäftsbericht veröffentlicht. Darin zeigt sich, dass die Richterinnen und Richter des Gerichts in St. Gallen total 6655 Urteile erliessen, also fast 25 Urteile pro Arbeitstag. Einige der Urteile sorgten auch in den Medien für Schlagzeilen. Hier eine Auswahl:
Der Apfel gehört Apple (B-4493/2022)
Das Bild des angebissenen Apfels ist stark mit dem amerikanischen Technologieunternehmen Apple verbunden. Im August des vergangenen Jahres hat Apple nun auch vom BVGer das Recht erhalten, das Bild eines gewöhnlichen Apfels als Marke für Audio und Video einzutragen. Das Institut für Geistiges Eigentum lehnte dies zuerst ab, da es sich beim Bild eines normalen Apfels um eine Inhaltsangabe und somit um Allgemeingut handle. Im Vorfeld des Entscheids wurde vor allem viel darüber geschrieben, ob nun die Obstbranche durch dieses Urteil Einschränkungen zu befürchten hat. Dem ist allerdings nicht so. Der Schutz gilt nur für ein bestimmtes Bild eines Granny Smith-Apfels für Tonaufnahmen und dieses dürfe gar weiter auch als Inhaltsangabe, nicht aber in Form eines Logos, verwendet werden.
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Afghanistan (F-2067/2022, F-3406/2022, D-4386/2022)
Gleich drei Urteile mit Beschwerdeführenden aus Afghanistan schafften 2023 den Weg in die Schweizer Presse. Im September gewährte das BVGer einer afghanischen Familie rund um einen ehemaligen Staatsanwalt die Erteilung von humanitären Visa, da die Gesuchsteller in der Heimat einem erhöhten Verfolgungsrisiko ausgesetzt wären. Zwei Monate vorher hiess das BVGer das Gesuch eines schriftenlosen afghanischen Staatsangehörigen gut, für den es derzeit nicht möglich war, einen Reisepass aus dem Heimatland zu beschaffen. Das Bundesverwaltungsgericht weist dabei das Staatssekretariat für Migration an, in solchen Fällen zu prüfen, ob die Voraussetzungen für die Ausstellung von Reisedokumenten für ausländische Personen erfüllt sind. In einem dritten Einzelfallentscheid gab das BVGer zwei afghanischen Schwestern Recht, die Asyl beantragten, vom SEM aber in einer ersten Instanz abgewiesen wurden. Die Urteile des BVGer ergingen letztinstanzlich.
Subventionen VBL (A-4488/2021)
Im August entschied das BVGer, dass die Verkehrsbetriebe Luzern AG (VBL) zwischen 2012 und 2017 zu viele Subventionen des Bundes bezogen hat. Es gab somit dem Bundesamt für Verkehr recht, das eine Rückzahlung von über 200'000 Franken forderte. Wegweisend war der Entscheid nicht wegen der Summe, sondern weil erstmals ein Gericht die Verletzung der Subventionen bei der VBL bestätigte. Diese hatte nämlich bei der Tochtergesellschaft vbl Zinsforderungen für die Benutzung der Fahrzeuge gestellt, die nicht nötig waren, aber dazu führten, dass mehr Subventionen geltend gemacht werden konnten. Weil sie aber dadurch Vorschriften für die Gewinnverwendung in der Holding verletzt haben, forderte das BAV Geld zurück und bekam recht.
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Privatradios müssen Covid-Subventionen zurückzahlen (A-2894/2022, A-2895/2022, A-2897/2022)
Während der Corona-Pandemie haben diverse Privatradios Hilfsgelder des Bundes erhalten. Drei von ihnen müssen diese Gelder aufgrund eines Urteils des Bundesverwaltungsgerichts zurückzahlen. Die Gelder wurden beispielsweise für Pensionskassenleistungen zurückgestellt. So wurde ein Gewinn verhindert, der eine Rückzahlung der Covid-Gelder zur Folge gehabt hätte. Das BAKOM bemerkte dies und forderte eine Rückzahlung des entsprechenden anrechenbaren Gewinns im Geschäftsjahr 2020, in dem die Privatradios einen Gewinn erzielten. Die Beschwerde gegen diese Forderung vor dem BVGer blieb wirkungslos.
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Keine Beschwerde der Credit Suisse Group AG gegen die Abschreibung der CCA (B-2254/2023)
Die Übernahme der Credit Suisse Group AG (CSG) durch die UBS Group AG sorgte am BVGer für Rekordwerte bei den Beschwerdeeingängen. So wies die Finanzmarktaufsicht (Finma) die CSG an, sämtliche Additional Tier 1 Kapitalinstrumente (AT1-Instrumente) abzuschreiben und die betroffenen Gläubiger darüber zu informieren. Gegen diese Massnahme wehrten sich rund 3000 Betroffene beim BVGer. Ein Entscheid in dieser Sache ist noch nicht ergangen.
Auch die CSG selbst gelangte ans BVGer. Dabei ging es aber nicht um die AT1-Anleihen, sondern um die ähnlich aufgebauten Contingent Capital Awards (CCA), welche Mitarbeiter der Bank erhalten haben. Die Bank argumentierte, dass diese CCA nicht von der Verfügung der Finma erfasst seien. Die CSG gelangte deshalb mit einem Gesuch um vorsorglichen gerichtlichen Rechtsschutz ans BVGer. Rund 20 Tage später zog die Bank dieses Gesuch aber wieder zurück und das Verfahren wurde abgeschrieben.
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Der Tunnel von Twann (A-4025/2021, A-4026/2021, A-4079/2021, A-4113/2021)
Das Dorf Twann am Bielersee plant einen Tunnel zur Ortsumfahrung, beziehungsweise die Verlängerung des bereits bestehenden Ligerztunnels. Das Ostportal ist dabei regelmässig Grund für juristische Verfahren, einige davon auch beim Bundesverwaltungsgericht. Dieses stützte im August eine Verfügung des Bundesamts für Strassen, das ein Grundstück mit Haus von Privatpersonen für Baustelleninstallationen enteignen wollte. Auch von einer bekannten Winzerin, die ebenfalls vom Bau betroffen ist und sich vor dem BVGer gegen den Verlust von einem Teil ihrer Reben wehrte, wurden rund 17% ihrer bewirtschafteten Fläche für das Projekt beansprucht. Sie bekam zumindest in einigen Punkten recht. So muss sie für das Bodenschutzkonzept angehört und die Asphaltierungsarbeiten müssen grundsätzlich vor dem Reifebeginn der Trauben ausgeführt werden.
Baukartelle im Engadin (B-3096/2018, B-3097/2018, B-3290/2018)
Die Wettbewerbskommission WEKO führte seit 2012 eine Reihe von Verfahren gegen Bauunternehmen im Kanton Graubünden. Im Frühling 2018 sorgte sie schliesslich öffentlich für Aufsehen, als sie mehrere Bauunternehmen im Unterengadin für Verstösse gegen das Kartellgesetz sanktionierte. In drei Urteilen vom November 2023 bestätigte das BVGer, dass sich Unternehmen der Foffa Conrad-Gruppe, der Lazzarini AG und der Resgia Koch SA an unzulässigen Gesamtabreden beteiligt hatten. Das Gericht reduzierte die Sanktionsbeträge gegenüber der WEKO-Verfügung, u.a. weil die Foffa Conrad-Gruppe und – in beschränkterem Masse – auch die Lazzarini AG an der Aufdeckung der Verstösse mitgewirkt hatten.
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Zofingia gewinnt gegen EPFL (B-3985/2021)
Gemäss den Statuten ist eine Mitgliedschaft in der Studentenvereinigung Zofingia nur Männern vorbehalten. Die Eidgenössische Hochschule in Lausanne (ETHL) sah darin eine Benachteiligung des weiblichen Geschlechts und entzog der Zofingia die Anerkennung und somit das Recht auf die Nutzung der Räume, des Logos oder der Kommunikationskanäle der Hochschule. Nachdem sich Zofingia bei der ETH-Beschwerdekommission gegen diesen Entscheid wehrte, bekam sie recht. Die ETHL wehrte sich aber gegen diesen Entscheid vor dem BVGer. Das Gericht stellt im Urteil fest, dass in diesem Fall eine Grundrechtskollision zwischen der Gleichstellung der Geschlechter und der Vereinigungsfreiheit vorliegt und dass diese verhältnismässig gelöst werden sollte. Dabei stützt es die Interessenabwägung der ETH-Beschwerdekommission. Die ETHL verfüge einerseits über zahlreiche weniger einschneidende Mittel, um die Gleichberechtigung der Geschlechter zu verwirklichen. Andererseits sei der Einfluss der Zofingia mit ihren nur rund 40 Mitgliedern auf die weibliche Studentenschaft klein und sie bilde auch keine Gefahr für das Studium oder die Laufbahn der Studentinnen. Das BVGer erachtet deshalb die Verfügung der ETHL als unverhältnismässig und weist die Beschwerde ab.
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Die Wolfsfrage: Abschuss oder Schutz? (A-5142/2021, A-4912/2022)
Mit der Frage, ob Wölfe von verschiedenen in der Schweiz heimischen Rudeln reguliert werden dürfen oder nicht, beschäftigte sich das BVGer im 2023 mehrfach. Schon im Januar fällte es einen Entscheid, der die Beweishürden für den Abschuss eines Leitwolfs senkte. Im Oktober hingegen entschied das BVGer zu Gunsten der Wölfe, namentlich eines Rudels im Val d’Hérens im Kanton Wallis und bestätigte die ausgebliebene Freigabe zum Abschuss durch das Bundesamt für Umwelt, weil bei mehreren gerissenen Schafen die Herdenschutzmassnahmen nicht genügend umgesetzt waren. Richtig Fahrt nahm die Diskussion um die Wölfe schliesslich im Dezember auf, nachdem das BAFU präventive Wolfsregulierungen erlaubte und sich Naturschutzorganisationen gegen diesen Entscheid ans Gericht wendeten.
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Kampfflugzeuge: kein Zugang zu Evaluationsunterlagen (A-839/2022, A-1526/2022)
Die Neubeschaffung der Kampfjets für die Schweizer Armee durch das Bundesamt für Rüstung armasuisse war auch beim Bundesverwaltungsgericht Thema. 2021 ersuchte ein Schweizer Journalist sowohl bei armasuisse als auch bei der Eidgenössischen Materialprüfungs- und Forschungsanstalt Empa um Einsicht in die Evaluationskriterien für den Beschaffungsprozess. Nachdem dieser abgelehnt wurde, zog er den Fall mit Verweis aufs Öffentlichkeitsgesetz ans BVGer weiter. Dieses stellte fest, dass die Beschaffung von Waffen, Munition oder Kriegsmaterial für die Gesamtverteidigung und Armee nicht dem Beschaffungsgesetz unterliegen, sondern eigene Regelungen haben, um eine grössere Vertraulichkeit zu ermöglichen. Darauf stützend wurde auch das Gesuch des Journalisten abgelehnt.
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Dublin-Überstellungen nach Kroatien bleiben zulässig (E-1488/2020)
Weil das kroatische Asylsystem allgemein stark in der Kritik war, beschäftigte sich das BVGer im März in einem Referenzurteil mit den Dublin-Überstellungen nach Kroatien. Es hielt darin fest, dass in Kroatien mit hoher Wahrscheinlichkeit regelmässig unrechtmässige Abschiebungen von Asylsuchenden, sogenannte Pushbacks, praktiziert werden. Allerdings seien Personen, die nach der Dublin-III-Verordnung von der Schweiz nach Kroatien überstellt werden, hiervon nicht betroffen. Dies gehe aus den verfügbaren aktuellen Berichten und auch aus der Rechtsprechung anderer Dublin-Staaten hervor. Deshalb erachtet es das BVGer weiter als zulässig, Überstellungen nach Kroatien (Take-Charge und Take-Back) durchzuführen.
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Anmerkung: Die in diesem Artikel enthaltenen Informationen zu den Verfahren stammen aus den Urteilen selbst, aber auch aus Medienberichten. Sie erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit und sind juristisch nicht verbindlich. Dafür wird jeweils auf das Urteil verwiesen.
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