Kommunikation wird immer wichtiger
Monique Schnell, was hat Sie zur Teilnahme am Studiengang Judikative motiviert?
Nach fast zehn Jahren am Bundesverwaltungsgericht hatte ich das Bedürfnis, mich auf eine allgemeine Art mit der gerichtlichen Tätigkeit auseinanderzusetzen. Das kam in den Jahren, in denen ich immer voll am Arbeiten und damit am Produzieren war, zu kurz. Der Studiengang ist neben meinem 90-Prozent-Pensum zwar herausfordernd, bringt mir aber viel. Vor allem die Auseinandersetzung mit den verschiedenen Rollen am Gericht und den unterschiedlichen Führungsstilen finde ich spannend.
Sie sind aktuell in der Mitte des Lehrgangs. Welches Fazit ziehen Sie?
Der Lehrgang ist unterteilt in zwei Blöcke à drei Module, die je zweieinhalb Tage dauern. Im ersten Modul haben wir Themen wie die richterliche Unabhängigkeit, die Zusammenarbeit zwischen Richterinnen und Gerichtsschreibenden sowie die Gerichtsführung behandelt. Im zweiten ging es um die Kommunikation, die auch im gerichtlichen Umfeld immer wichtiger wird. Und im dritten verglichen wir die Gemeinsamkeiten und Unterschiede des Beweisrechts in den Verfahren vor Zivil-, Straf- und Verwaltungsgericht. Ich fand es sehr interessant, Zusammenhänge herzustellen und mit den Kursleitenden und den anderen Teilnehmenden das grosse Bild zu diskutieren.
«Wir müssen ein Auge auf die digitalen Erschwernisse haben und die Nähe der Justiz zu den Menschen bewahren.»
Monique Schnell Luchsinger
Welchen beruflichen Hintergrund haben Teilnehmende und Dozierende?
Im deutschsprachigen Kurs sind wir 32 Teilnehmer/innen. Einige arbeiten wie ich als Gerichtsschreibende, andere kommen aus der Verwaltung oder sind an kleinen oder mittelgrossen Gerichten richterlich tätig. Der Austausch mit ihnen ist sehr interessant, weil Zivilgerichte zum Teil mit ganz anderen Herausforderungen konfrontiert sind als Sozialversicherungsgerichte und Verwaltungsgerichte allgemein. Bei den Dozierenden gibt es Bundesrichter, Professoren, Oberrichterinnen, ehemalige und aktive Staatsanwälte, Leute aus der Advokatur und nebenamtliche Richterinnen. Es sind auch nichtjuristische Dozentinnen dabei, darunter zwei Schauspielerinnen sowie Ökonomen und Psychologinnen. Alle sind sehr engagiert und geben uns viel mit auf den Weg.
Was ist das Wichtigste, das Sie aus dieser ersten Hälfte des Lehrgangs mit in Ihren Berufsalltag nehmen?
Ich hatte ein paar Heureka-Momente, zum Beispiel in Bezug auf das Entscheidfindungsprozedere. Wir haben es als Übung mündlich durchgespielt, wobei mir bewusst geworden ist, wie wichtig die direkte mündliche Kommunikation ist. Das gilt sowohl für das Zirkulationsverfahren als auch für die alltägliche Arbeit. Denn trotz Digitalisierung kann man nicht alles schriftlich machen. Vieles läuft informell und nebenher, und das geht verloren, wenn man nur noch auf Distanz miteinander arbeitet. Insofern braucht es fixe Sitzungstermine und gemeinsame Anwesenheitstage.
Welche Chancen und Herausforderungen sehen Sie in der Digitalisierung?
Die Herausforderung wird sein, sie zum Nutzen der Gesellschaft einzusetzen. Von der Digitalisierung erhoffe ich mir Vereinfachungen und Arbeitserleichterungen. Eingaben elektronisch tätigen zu können, ist bürgerfreundlich. Wir müssen aber ein Auge auf die digitalen Erschwernisse haben, müssen die Nähe der Justiz zu den Menschen bewahren. Ich habe immer wieder gestaunt, wie viele Menschen sich mit einem handgeschriebenen Brief und ohne Rechtsvertretung ans Gericht wenden. Das zeugt von Vertrauen in die Justiz, und dieses dürfen wir nicht leichtfertig aufs Spiel setzen.
Monique Schnell Luchsinger
Monique Schnell Luchsinger arbeitet seit rund zehn Jahren am BVGer. Nachdem sie acht Jahre lang in der Abteilung I tätig war, arbeitet sie seit knapp zwei Jahren als Pool-Gerichtsschreiberin – aktuell in der Abteilung III. Das schätzt sie sehr: «Man erhält Einblick in neue Rechtsgebiete und lernt die Abteilungen mit ihren unterschiedlichen Abläufen von innen kennen.» Die gebürtige Zürcherin studierte an der Universität Zürich und begann ihre juristische Karriere als Auditorin am dortigen Bezirksgericht. Nach dem Erwerb des Anwaltspatents arbeitete sie als Gerichtsschreiberin am Bezirksgericht Zürich und am Sozialversicherungsgericht Winterthur. Danach war die diplomierte Steuerexpertin auf dem Zürcher Steueramt und in Treuhandbüros und Wirtschaftskanzleien tätig, bevor sie 2014 als Gerichtsschreiberin ans BVGer kam.
CAS Judikative
Der Studiengang «Judikative» der Universität Luzern wird seit dem Jahr 2011 durchgeführt. Er dauert zwei Jahre und beinhaltet sechs Module. Nach den ersten drei Modulen, die sich der Organisation, der Kommunikation und der Beweisführung widmen, findet eine schriftliche Prüfung statt. Die folgenden drei Module haben die Streitbehandlung, das Verhältnis von Gericht und Öffentlichkeit sowie Finanzfragen zum Inhalt. Am Schluss des jeweils auf Deutsch und Französisch durchgeführten Lehrgangs schreiben die Teilnehmenden eine Arbeit. Ziel des Studiengangs ist es, eine spezifische Ausbildung für die gerichtliche Tätigkeit zu vermitteln, da laut Ausschreibung «die richterliche Tätigkeit laufend anspruchsvoller wird». Der nächste Lehrgang beginnt im Jahr 2025.
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