KV-Ausbildung mit Privilegien
Marijana Todorovic, wir gratulieren zum Lehrabschluss! Wie ist das Gefühl?
Vor allem spüre ich eine grosse Erleichterung, auch weil der Stress rund um die Abschlussprüfungen endlich vorbei ist. Dank guten Vornoten konnte ich die Prüfungsphase zwar etwas entspannter angehen, und trotzdem ist der definitive Abschluss befreiend. Und es fühlt sich natürlich super an - das war nach vielen Jahren in der Schule meine letzte Prüfung für eine lange Zeit.
Du hast also keine weiterführende Ausbildung geplant? Was sind denn deine Pläne für die Zukunft?
Doch,das schon, aber nicht gerade unmittelbar. Ich weiss noch nicht genau, in welche Richtung, in welche Branche ich mich hingezogen fühle. Vorerst bleibe ich noch etwas am Gericht und unterstütze in den Abteilungskanzleien. Dann kann ich mir durchaus vorstellen, in der Justiz zu bleiben, vielleicht aber auf der anderen Seite, also in einer Anwaltskanzlei. Oder ich mache was ganz anderes. Immobilien finde ich spannend.
In deiner KV-Lehre hast du zusätzlich viel juristisches Wissen erworben. Wäre denn jetzt ein Branchenwechsel nicht schade?
Wenn du mich fragst: überhaupt nicht. Ja, ich kenne nun die Juristensprache und ihre Fachbegriffe und habe auch ziemlich gut gelernt, wie das System in der Schweizer Justiz funktioniert. Aber ich habe eben auch gelernt, mich an neue Umgebungen anzupassen. Ich war in meinen drei Jahren Ausbildung in rund 10 verschiedenen Teams tätig, die alle eigene Prozesse haben, unterschiedliche Aufgaben erledigen und so auch ein anderes Umfeld mit sich brachten. Diese Erfahrungen helfen mir überall weiter, wie auch das genaue und exakte Arbeiten, das hier am Bundesverwaltungsgericht sehr wichtig ist.
Welche Bereiche haben dir denn besonders gefallen?
Die Arbeit in den Abteilungskanzleien war sehr cool. Ich habe da eine tiefe Sicht in juristische Abläufe erhalten, die all meine Kollegen und Kolleginnen aus der Klasse zum Beispiel verwehrt blieb. So konnte ich zum Beispiel Verfügungen schreiben – natürlich immer aufbauend auf den Notizen von Richterinnen und Richtern – und habe immer wieder spannende juristische Diskussionen mitbekommen.
«Anstatt für Kundengespräche Kaffee zu machen, habe ich aufbauend auf Notizen von Richtern Verfügungsentwürfe verfasst.»
Marijana Todorovic
Also hast du eigentlich genau den «Nicht-KV-Teil» am besten in Erinnerung?
Das würde ich so nicht sagen, es ist halt ein sehr spezifischer Teil des Berufs. Aber das war auch noch nicht alles. Meine Zeit im Bereich Finanzen & Controlling hat mich ebenfalls positiv überrascht, denn ich hatte viel Respekt vor den Zahlen. Rechnungswesen war in der Schule nicht so mein Ding. In der Praxis habe ich mich dann aber sehr wohl gefühlt und konnte endlich auch die Theorie besser verstehen. Die ganzen juristischen Themen kennengelernt zu haben, war aber sicher ein Privileg, das ich sehr genossen habe.
Und für das dich deine Klassenkameraden manchmal etwas beneidet haben?
Vielleicht ein bisschen – sie waren auf alle Fälle begeistert, wenn ich ihnen von meinen Aufgaben erzählt habe und einzelne haben mir anfangs gar nicht geglaubt, dass man bei einem eidgenössischen Gericht eine KV-Ausbildung machen kann. In der Klasse war ich immer ein bisschen «Spezial». So haben wir am BVGer keine typischen Kunden. Verkaufsschulungen waren für mich daher eher sekundär, in den Kursen aber jeweils ein zentraler Bestandteil. Anstatt für Kundengespräche Kaffee zu machen habe ich aufbauend auf Notizen von Richtern Verfügungsentwürfe verfasst.
Die den Lernenden anvertrauten Aufgaben hängen aber wohl auch mit den Praxisbildnern zusammen, oder?
Definitiv. Da hatte ich am Bundesverwaltungsgericht sicher Glück. Wir haben erfüllende Aufgaben bekommen und konnten an diesen wachsen, selbstbewusster werden und waren fachlich stets gut betreut. Besonders Yuki (Anm. der Redaktion: Berufsbildnerin Yukiko Diek) nimmt sich sehr viel Zeit für uns Lernende, was ich extrem geschätzt habe. Sie konnte mir fachlich, aber auch bei privaten und schulischen Angelegenheiten wertvolle Tipps geben. Ich habe gespürt, dass ihr mein Weg zu jedem Zeitpunkt wichtig war.
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Als Eidg. dipl. Berufsbildnerin ist Yukiko Diek verantwortlich für die fachliche Ausbildung der Lernenden am Bundesverwaltungsgericht – eine Aufgabe, die viel Koordination und Gespür für den jungen Menschen verlangt.