Bundesverwaltungsgericht: Eingehende Überprüfung der Spruchkörperbildung
Die Bildung von Spruchkörpern am Bundesverwaltungsgericht steht in der Kritik. Das Gericht hatte bereits entschieden, sein System einer unabhängigen Überprüfung durch eine fachkundige Person zu unterziehen. Die Medienberichterstattung vom Mittwoch enthält indes Vorwürfe, von denen sich das Gericht distanziert.
Das Bundesverwaltungsgericht (BVGer) hatte bereits entschieden, sein System der Zuteilung von Fällen auf Richterinnen und Richtern (Spruchkörperbildung) unabhängig und eingehend überprüfen zu lassen. Dafür wird eine externe Fachperson beigezogen. Diese Person wird das BVGer begleiten und das aktuelle System der Spruchkörperbildung kritisch analysieren und dem Gericht Bericht erstatten. Gespräche zu dieser Zusammenarbeit sind zurzeit im Gange.
Distanzierung von Behauptungen
Am Mittwoch thematisierten die Tamedia-Zeitungen (z.B. Tages-Anzeiger «Werden hunderte Asylurteile neu aufgerollt? ») und die Sendung «Rundschau» von Schweizer Radio und Fernsehen SRF in Medienbeiträgen die Praxis des Bundesverwaltungsgerichts bei der Spruchkörperbildung. Die Berichterstattung vermittelt den Eindruck, dass die Zuteilungen nicht korrekt vorgenommen wurden.
Am BVGer bestimmen das Geschäftsreglement und die Reglemente der sechs Abteilungen, welche Kriterien bei der Zuteilung der Richterinnen und Richter berücksichtigt werden müssen. Die Umsetzung liegt in der Verantwortung der Abteilungspräsidien. Aus organisatorischen Gründen können sie die Ausführung delegieren, wobei starre Regeln bestehen. Das ausführende Personal, das unter der Aufsicht der Kammer- und Abteilungspräsidien steht, hat also keine Auswahlmöglichkeiten. Ermessensentscheide werden von den Abteilungs- oder Kammerpräsidien getroffen. Für das BVGer besteht derzeit kein Anlass zu denken, dass bei der Richterzuteilung die geltenden Regeln missachtet wurden oder dass «unbefugte» Personen die Spruchkörperbildung vorgenommen haben. Bei Verdacht auf Unregelmässigkeiten handelt das Gericht und leitet umgehend entsprechende Schritte ein. Im Übrigen hat das Bundesgericht einer Aufsichtsbeschwerde eines Anwalts zur Spruchkörperbildung keine Folge geleistet und dabei festgestellt, «dass der Vorwurf unstatthafter Manipulationen bei der Spruchkörperbildung jeder Grundlage entbehrt» (Entscheid 12T_3/2018 vom 22. Mai 2018, Erwägung 2.4.3).
Mehrere Empfehlungen bereits umgesetzt
Sowohl aus dem Bericht vom 22. Juni 2021 der parlamentarischen Geschäftsprüfungskommissionen wie auch aus der Studie der Universitäten Zürich und Bern, die am16. Dezember 2021 veröffentlicht wurde, ergaben sich mehrere Empfehlungen für Optimierungen des bisherigen Systems. Das BVGer hatte schon zuvor sein System weiterentwickelt und inzwischen auch erste Empfehlungen umgesetzt. So ist die Nachvollziehbarkeit sichergestellt; den Abteilungspräsidien steht ein monatliches Controlling-Instrument zur Verfügung. In der Fallzuteilungs-Software gibt es nun ein Drop-Down-Menu mit den Gründen für eine manuelle Anpassung und im Geschäftsverwaltungssystem Juris wurde ein Verfahrensschritt ergänzt, um Anpassungen in jedem Dossier zu dokumentieren. Die Verwaltungskommission erhält quartalsweise alle Daten zu den Zu- und Umteilungen von Richterinnen und Richtern.
Derzeit arbeitet das Gericht an der Anpassung der Bestimmungen der Spruchkörperbildung mit dem Ziel, diese über alle sechs Abteilungen zu harmonisieren. Das Reglement soll bis Ende 2022 verabschiedet und in der Amtlichen Rechtssammlung publiziert werden. Ausserdem wird das BVGer künftig im Geschäftsbericht Auskunft zur Spruchkörperbildung geben.
Spruchkörperbildung Generell beruht die Spruchkörperbildung am BVGer auf zwei Komponenten: einem automatischen und einem manuellen Teil. Für den automatischen Teil setzt das Gericht eine Software ein, die intern auch «Bandlimat» genannt wird. Der Software hinterlegt sind beispielsweise die Arbeitssprachen der Richter/innen, ihr Beschäftigungsgrad oder Spezialisierungen. Auch längere Abwesenheiten können von der Software berücksichtigt werden. Die Liste der reglementarisch zu berücksichtigenden Kriterien ist jedoch länger und nicht alle Kriterien können in der Fallzuteilungssoftware abgebildet werden. Der manuelle Teil ist daher integraler Bestandteil der Spruchkörperbildung. Eine manuelle Zu- oder Umteilung erfolgt beispielsweise bei konnexen Verfahren (zusammenhängende Verfahren), Ausstandsgründen, Weggängen (z.B. Pensionierungen) oder kurzfristigen Abwesenheiten. Manuelle Zu- oder Umteilungen sind systembedingt, weil eine ausnahmslose Automatisierung der Spruchkörperbildung nicht möglich ist. Die Parteizugehörigkeit der Richterinnen und Richter wird bei der Spruchkörperbildung bewusst nicht berücksichtigt und ist somit nicht als Kriterium hinterlegt. Eine generelle Berücksichtigung stünde im Widerspruch zur Unabhängigkeit der Richterinnen und Richter. |
Kontakt
Rocco Maglio
Medienbeauftragter