Medienmitteilung zum Urteil E-4103/2024
Flüchtlingseigenschaft von türkischen Asylsuchenden
Alleine die Tatsache, dass in der Türkei staatsanwaltschaftliche Ermittlungsverfahren wegen «Präsidentenbeleidigung» oder «Propaganda für eine terroristische Organisation» hängig sind, führt nicht dazu, dass türkische Asylsuchende in der Schweiz als Flüchtlinge anerkannt werden.
Die Asylbehörden der Schweiz sind seit einiger Zeit mit türkischen Asylsuchenden konfrontiert, die geltend machen, wegen kritischer politischer Äusserungen seien gegen sie in der Türkei staatsanwaltschaftliche Ermittlungsverfahren eingeleitet worden. Typischerweise geht es dabei um die Straftatbestände der «Präsidentenbeleidigung» (Art. 299 des türkischen Strafgesetzbuchs) und/oder der «Propaganda für eine terroristische Organisation» (Art. 7 Abs. 2 des türkischen Anti-Terror-Gesetzes). Die betreffenden Äusserungen werden häufig erst nach der Ausreise aus dem Heimatstaat in den Sozialen Medien veröffentlicht.
Das Bundesverwaltungsgericht (BVGer) hat in einem aktuellen Koordinationsentscheid1 die Frage der asylrechtlichen Relevanz solcher türkischer Ermittlungsverfahren geklärt. Das Gericht stellte fest, dass diese noch nicht eine begründete Furcht vor zukünftiger Verfolgung im Heimatstaat ergeben. Somit sind türkische Asylsuchende nicht einzig aufgrund der Tatsache als Flüchtlinge anzuerkennen, dass im Heimatstaat staatsanwaltschaftliche Ermittlungsverfahren wegen «Präsidentenbeleidigung» oder «Propaganda für eine terroristische Organisation» hängig sind.
Sicherheitslage in den Provinzen Hakkâri und Şırnak
Im vorliegenden Fall stammt der Asylsuchende aus der Ostprovinz Şırnak an der türkisch-irakischen Grenze. Die schweizerische Asylpraxis ging bisher davon aus, dass der Vollzug von Wegweisungen in diese türkische Provinz und in die Nachbarprovinz Hakkâri aufgrund einer Situation allgemeiner Gewalt generell unzumutbar ist (vgl. Urteil BVGE 2013/2; seither wiederholt bestätigt). Nach einer einlässlichen Beurteilung der aktuellen Sicherheitslage in den Provinzen Hakkâri und Şırnak hat das BVGer die Aufhebung dieser Wegweisungspraxis beschlossen. Der Vollzug von Wegweisungen in diesen beiden Provinzen ist damit nicht mehr generell ausgeschlossen. Ob solche Wegweisungen für die betroffenen Personen individuell zumutbar sind, ist – gleich wie bei allen anderen Provinzen der Türkei – im Einzelfall zu prüfen.
Im zu beurteilenden Fall hat das BVGer die Beschwerde des Asylsuchenden abgewiesen und den Entscheid des Staatssekretariats für Migration bestätigt, wonach das Asylgesuch abzulehnen und der Vollzug der Wegweisung zulässig, zumutbar sowie möglich ist. Dieses Urteil ist abschliessend und kann nicht beim Bundesgericht angefochten werden.
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1 Dieses Urteil wurde durch die versammelte Richterschaft der Abteilungen IV und V koordiniert. Es analysiert die Situation in einem bestimmten Land und die rechtliche Würdigung ist über den Einzelfall hinaus für eine Mehrzahl von Verfahren gültig.
Kontakt
Rocco Maglio
Medienbeauftragter