Der erste Kontakt mit der digitalen Welt
«Scancenter – täglich geöffnet von 08:00 – 11:30 und 13:00 – 17:00 Uhr» steht an der Tür und beim Blick in den Raum offenbaren sich vier Hochleistungsdrucker und jede Menge Papierstapel. An jedem Kopiergerät ist ein Laptop angeschlossen, vorne im Raum stehen nochmals drei Bildschirme. Das Bild erinnert an einen Copy-Shop am Bahnhof, wo Geschäftsleute vor ihren Meetings hastig noch dringend benötigte Dokumente ausdrucken. Doch die Idee des Scan- und Digitalisierungscenter, wie der Service seit kurzem heisst, geht in die total konträre Richtung: weg vom Papier, hin zum digitalen Dossier.
«Irgendwann sind wir soweit, dass alle Dokumente am Gericht digital verfügbar sind», sagt Dominik Schneeberger. Er ist der Leiter des Scan- und Digitalisierungscenters und führt ein Team von fünf bis sieben Teilzeitmitarbeitenden, das täglich mehrere tausend Seiten von Beschwerden, Verfahrensdossiers und Beilagen einscannt. Mit einem Auftragsblatt versehen werden die Dossiers ins Scancenter gebracht und wenig später erhalten die Auftraggeber ihren Papierstapel als PDF-Datei zurück. «Schnelligkeit und Gründlichkeit» nennt Schneeberger als die wichtigsten Prämissen in der Arbeit seines Teams. Denn: «Würde im digitalen Dokument auch nur eine Seite fehlen, so wäre unsere ganze Arbeit zwecklos. Weil der Auftraggeber dann ja wieder auf das Papierdossier zurückgreifen müsste.»
Vom Provisorium zum integralen Bestandteil
Nach der ursprünglichen Idee hinter dem Scancenter wäre das Hervornehmen des physischen Dossiers aber nicht möglich gewesen. Entstanden ist das Scancenter nämlich im April 2020, also während des ersten Corona-Lockdowns. Es sollte den Mitarbeitenden des Bundesverwaltungsgerichts ermöglichen, auch im Homeoffice ihrer Arbeit nachzugehen, ohne verbotenerweise Originalakten mit nach Hause zu nehmen. Die anfängliche Skepsis gegenüber der Arbeit mit dem digitalen Dossier war zwar gross, doch blieb vielen keine andere Wahl als sich damit zu befassen. «Für viele waren im Arbeitsumfeld wir der erste Kontakt mit der digitalen Welt», sagt Schneeberger, der zum BVGer stiess, als der Service noch in seinen Kinderschuhen steckte, und anschliessend wesentlich dazu beitrug, dass die digitale Arbeitsweise selbst mit der Rückkehr ins Büro an Akzeptanz gewann. Und so ging das Scancenter vom Provisorium als fester Bestandteil in den regulären Gerichtsbetrieb über. «Wir sind inzwischen ein etablierter und geschätzter Service», sagt Schneeberger zufrieden.
«Wir sind weiterhin das Flaggschiff der Digitalisierung und möchten den Mitarbeitenden die Angst vor der digitalen Zukunft nehmen.»
Dominik Schneeberger
Er selbst brachte sich zunehmend stärker in die Digitalisierungsprozesse des gesamten Gerichts ein und entwickelte sein Scancenter weiter. Neu bietet dieses beispielsweise auch Schulungen zur Handhabung der PDF-Dokumente an. Oder der Dossierscan wird in einzelnen Abteilungen bereits standardmässig in die Prozesse der Rechtsprechung eingebaut und die Dienstleistung qualitativ stets weiterentwickelt, so dass inzwischen auch bei der Arbeit vor Ort ein unverkennbarer Mehrwert gewährleistet ist. «Wir sind weiterhin das Flaggschiff der Digitalisierung und möchten den Mitarbeitenden die Angst vor der digitalen Zukunft nehmen», so Schneeberger. Bei vielen würden sie offene Türen einrennen und nur bei wenigen gelänge ihm und seinem Team dieses Vorhaben nicht. Doch weil immer mehr Richter-Teams auf eine digitale Zusammenarbeit umstellen, melden sich auch vermehrt anfänglich zurückhaltende Gerichtschreibende und Richter für die Schulungen an.
Papierlos bis 2025
Das Digitalisierungsvorhaben des Bundesverwaltungsgerichts «eTAF» verfolgt die ambitionierte Vision, bis 2025 komplett papierlos Recht zu sprechen. Bis dahin gibt es noch viel zu tun, doch Schneeberger ist optimistisch: «Wir müssen als nächstes die Automatisierung des Scanprozesses im Unternehmen verankern, bevor wir anschliessend mit einem flächendeckenden Scan des gesamten Posteingangs fortfahren können.» Als erste organisatorische Massnahme hat deshalb die Zentrale Kanzlei bereits mit dem Scancenter fusioniert. Und Schneeberger, der die integrale Leitung beider Organisationseinheiten übernommen hat, erkennt den Umschwung im unternehmenspolitischen Willen hin zur Modernisierung. Er blickt deswegen zuversichtlich auf einen spannenden Weg, auf dem wir bereits wichtige Schritte gegangen sind.
Weitere Blogeinträge
Aufbruch in die digitale Zukunft
Mithilfe des Organisationsentwicklungsvorhaben «eTAF» wird das Bundesverwaltungsgericht bis ins Jahr 2025 schrittweise digitalisiert.
«Ich hoffe, dass uns die Flexibilität und die Digitalisierung erhalten bleiben»
Maria Cristina Lolli, Gerichtsschreiberin in der Abteilung II, ist es nicht schwergefallen, ihre Arbeitsgewohnheiten anzupassen. Zudem erkennt sie in den krisenbedingten Veränderungen viele Vorteile. Im Interview verrät sie uns auch, warum sie starkes Heimweh nach Rom hat.