Klar und konzis schreiben

Neben seiner Arbeit als Gerichtsschreiber der Abteilung II hält Yann Grandjean Schulungen zur Urteilsredaktion. In diesem Beitrag erklärt er unter anderem seine Sicht auf den juristischen Schreibstil.

21.02.2025 - Stéphane Oppliger

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Gerichtsschreiber Yann Grandjean
«Die Wirklichkeit in Worte zu fassen ist eine der wesentlichen Aufgaben des Rechts», Yann Grandjean, Gerichtsschreiber der Abteilung II. (Bild: Erwin Lötscher)

Yann Grandjean, Gerichtsschreiber der Abteilung II, beschäftigt sich schon lange mit dem Thema Schreiben – insbesondere mit den technischen und stilistischen Aspekten, die eine klare Kommunikation ausmachen. Im Kanton Freiburg beheimatet, absolvierte er dort auch sein Jusstudium. An der Universität Freiburg hielt er mehrere Jahre lang die Vorlesung Technische Einführung ins Recht und juristisches Schreiben. 2013 begann er seine Arbeit beim Bundesverwaltungsgericht, zunächst in der Abteilung III und ab 2015 in der Abteilung II. Die Idee, interne Schulungen zur Urteilsredaktion anzubieten, entstand 2021 auf Initiative der Präsidentenkonferenz. Der entsprechende Kurs wurde von Tobias Grasdorf, Beatrice Grubenmann und dem HR-Team entwickelt. Yann Grandjean war von Beginn an interessiert, sich am Projekt zu beteiligen, und übernahm die Erteilung der französischen Schulungen.

«Es ist eine grosse Herausforderung, Fachlichkeit und Zugänglichkeit miteinander zu vereinbaren.»

Yann Grandjean, Gerichtsschreiber der Abteilung II

Die Schwierigkeit, zugänglich zu sein, ohne an Fachlichkeit einzubüssen
Die Schulungen haben zum Ziel, Gerichtsschreiberinnen und Gerichtsschreiber für verschiedene Schwierigkeiten der Urteilsredaktion zu sensibilisieren. Die Wirklichkeit in Worte zu fassen ist eine der wesentlichen Aufgaben des Rechts, so Yann Grandjean. Wie er weiter erklärt, ist die Rechtssprache durch ihre festen Begriffe äusserst stark kodiert, nicht natürlich und mitunter ziemlich komplex, weil sie sich in erster Linie an Juristinnen und Juristen richtet. Dennoch muss sie auch für Rechtssuchende ohne juristische Bildung und Hochschulstudium verständlich sein. Eine der grossen Herausforderungen ist somit, Fachlichkeit und Zugänglichkeit miteinander zu vereinbaren.

Yann Grandjean weist darauf hin, dass man sich von diesen Grundsätzen beim Schreiben nicht lähmen lassen solle, weil die Rechtssprache eine Technik sei, die man lernen und üben könne. So habe er im Laufe seiner Karriere als Gerichtsschreiber jede einzelne Regel, die er in seiner Schulung behandle, bestimmt mindestens einmal verletzt. Wenn er nur einen allgemeinen Schreibhinweis geben müsste, dann wäre es, zu lange Sätze zu vermeiden. Es sei wichtig, die Disziplin zu haben, den eigenen Text Korrektur zu lesen und bereit zu sein, Sätze zu kürzen, um die Verständlichkeit zu erhöhen. Dies gelte umso mehr in einem mehrsprachigen Umfeld, in dem die Klarheit an erster Stelle stehen müsse. Diese Schwierigkeiten seien nicht nur der französischen Sprache eigen, betont er. Beim juristischen Schreiben in den verschiedenen Landessprachen stellten sich trotz ihrer Unterschiedlichkeit dieselben oder ähnliche Schwierigkeiten. Gewisse Themen könnten in einer bestimmten Sprache jedoch wichtiger sein als in anderen, wie beispielsweise die Helvetismen im Deutschen.

Entwicklungen und neue Technologien
Laut Yann Grandjean gibt es in der Urteilsredaktion verschiedene Entwicklungen. Urteile würden tendenziell länger, weil in den juristischen Analysen immer mehr Elemente einbezogen würden. Der Einsatz von künstlicher Intelligenz sei eine weitere bedeutende Entwicklung der letzten Jahre und die Entwicklung dieser Technologie könnte die Arbeitsweise radikal verändern, so der Gerichtsschreiber. Die Arbeit werde sich ähnlich stark verändern wie einst mit dem Übergang von der Schreibmaschine zu Textverarbeitungsprogrammen. DeepL sei bereits ein Beispiel für eine solche Veränderung. Solche Programme seien für die sprachlichen Minderheiten in der Schweiz, die sich mit der Rechtsprechung auf Deutsch auseinandersetzen müssten, besonders wichtig. Abschliessend weist Yann Grandjean darauf hin, dass es sehr schwer vorherzusagen sei, was uns die neuen Technologien noch alles bringen werden.

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