Marianne Ryter: Richterin, Dozentin, Präsidentin
Seit Januar 2019 ist Marianne Ryter Präsidentin des grössten eidgenössischen Gerichts. Wie weit lässt sich eine solche Karriere planen? «Eine bewusste Karriereplanung habe ich nicht gemacht», sagt die 51-jährige Bernerin. Vielmehr sei sie stets ihren Interessen gefolgt und habe sich für ihre Werte eingesetzt. «Dafür weiche ich auch Herausforderungen nicht aus.» Für das Rechtsstudium entschied sie sich, nachdem sich ihr langjähriger Traumberuf zerschlagen hatte. «Ich wollte immer Archäologin werden, aber im Rahmen der Probevorlesungen an der Uni Bern musste ich feststellen, dass meine Vorstellungen nur wenig mir der Realität des Studiums zu tun hatten.»
«Auf jeden Fall möchte ich nicht stehen bleiben.»
Marianne Ryter
Freiheit im Denken
Auch wenn das Jusstudium nicht ihre erste Wahl war, begeisterte sie sich insbesondere für Fächer wie Staats- und Strafrecht, römisches Recht und Rechtsphilosophie. «Sie führen zu den Wurzeln des Rechts und beleuchten die grossen Themen Gerechtigkeit, Schuld sowie die Geltungsfragen des Rechts.» In den Gerichts- und Anwaltspraktika stellte sie dann fest, dass ihr auch das juristische Denken und der juristische Zugang zu den grundsätzlichen gesellschaftlichen Fragen entsprachen. Nach dem Erwerb des Fürsprecherpatents und einem Jahr Tätigkeit in der Advokatur erhielt sie von Professor Pierre Tschannen eine Assistenzstelle angeboten. «Ich ging gern zurück an die Uni, die mir viel Freiheit – vor allem auch im Denken – bot.» So arbeitete Marianne Ryter von 1996 bis 2002 als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Bern und promovierte im Jahr 2004. Im Jahr 2001 erwarb sie einen Master of Laws (LL.M.) an der Universität Lausanne.
Richterliche Weiterbildung
In dieser Zeit kamen auch ihre beiden Kinder, eine Tochter und ein Sohn, zur Welt. Marianne Ryter war 34 Jahre alt, als sie 2002 zur Richterin der Rekurskommission UVEK gewählt wurde. Drei Jahre später erfolgte die Wahl zur Bundesverwaltungsrichterin. Mit dem Umzug des BVGer nach St. Gallen zog sie in die Ostschweiz – teilzeitlich, denn die Familie blieb in Bern. Gleichzeitig erschloss sie sich weitere Betätigungsfelder, indem sie ein Engagement bei der Stiftung für die Weiterbildung der schweizerischen Richterinnen und Richter sowie einen Lehrauftrag an der Universität Basel annahm. Beides führt sie auch heute neben ihrer Tätigkeit als Richterin der Abteilung I und BVGer-Präsidentin weiter. «Ich bin sicher, dass dies auch dem Gericht nützt.»
Nicht stehen bleiben
Der Terminkalender der Gerichtspräsidentin ist also stets gut gefüllt. Woher nimmt sie die Energie, alles unter einen Hut zu bringen? «Es ist eine Wechselwirkung», antwortet sie, «denn ich erhalte durch meine verschiedenen Tätigkeiten auch viel Energie zurück.» Zudem fühle sie sich sehr gestützt durch ihr privates Umfeld. Den Ausgleich zur Arbeit findet sie im Sport, etwa beim Joggen in der Natur, oder beim Reisen. Gibt es etwas, das die erste Präsidentin des Bundesverwaltungsgerichts noch erreichen will? «Auf jeden Fall möchte ich nicht stehen bleiben», antwortet sie. «Ich hoffe, dass das Leben noch weitere Herausforderungen für mich bereithält.»
Weitere Blogeinträge
Dem Dialog verpflichtet
Die scheidende Gerichtspräsidentin Marianne Ryter freut sich, dass der BVGer-Geist heute stärker weht als vor 15 Jahren. Die Führung des Gerichts hat sie als anspruchsvoll erlebt – nicht nur wegen der Coronapandemie.
Mutig andere Wege gehen
Generalsekretärin Stephanie Rielle verfügt über vielfältige Führungserfahrung. Ihre Tätigkeit am BVGer erlebt sie als so anspruchsvoll und gleichzeitig so gestaltungsoffen wie keine zuvor.