Mutig andere Wege gehen

Generalsekretärin Stephanie Rielle verfügt über vielfältige Führungserfahrung. Ihre Tätigkeit am BVGer erlebt sie als so anspruchsvoll und gleichzeitig so gestaltungsoffen wie keine zuvor.

22.03.2021 - Katharina Zürcher

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Portrait von Stephanie Rielle
Generalsekretärin Stephanie Rielle. Foto: Lukas Würmli

Stephanie Rielle, als Generalsekretärin leiten Sie – zusammen mit der Präsidentin – das Bundesverwaltungsgericht. Wie erleben Sie Ihre Führungsrolle?

Es ist die anspruchsvollste Führungsaufgabe, die ich je hatte. Das Generalsekretariat kann ich ähnlich führen wie ein privates Unternehmen. Die Führung des Gesamtgerichts aber ist aufgrund der Strukturen sehr komplex. Da Plenum, PK und VK unterschiedliche Verantwortlichkeiten und Entscheidkompetenzen haben, benötigt das Aufbereiten der Entscheide viel Zeit, zumal dies meist mit umfangreichen Konsultationen verbunden ist. Dafür sind dann die Entscheide akzeptiert, was für die Umsetzung sehr wichtig ist. Und bei allen Herausforderungen hatte ich noch nie so viel Gestaltungsspielraum. Das Generalsekretariat kann die Entwicklung des Gerichts mit Themen, Initiativen und Vorschlägen vorantreiben, was mir sehr gefällt.

Haben Sie schon immer gern geführt?

Ja, schon in der Schule. Ich engagiere mich gern und setze mich mit Freude für Sachthemen und Menschen ein. Mein persönliches Motto ist: Selbst gestalten, sonst wird man gestaltet. Ich mag es, Verantwortung zu übernehmen, mein Arbeitsumfeld zu gestalten, die Organisation weiterzubringen und das Potenzial der Mitarbeitenden auszuschöpfen. All das kann ich hier tun.

Frauen in Führungspositionen sind noch immer in der Minderheit. Hatten oder haben Sie je das Gefühl, es als Frau schwerer – oder einfacher – zu haben?

Ich habe mehrheitlich in Gremien gearbeitet, in denen ich die einzige Frau war. Schwerer hatte ich es aber als Frau nie. Kämpfen musste ich nur einmal, als ich hochschwanger in die Geschäftsleitung hätte befördert werden sollen; einige Männer aber fanden, dass dies bis nach der Geburt meines Kindes warten könne. Das Verständnis für die Situation von Müttern war früher nicht gross; flexible Arbeitszeiten, Teilzeitpensen in Führungspositionen und Home-Office gab es nicht. Heute sind die Rahmenbedingungen für Frauen in verantwortlichen Positionen sehr viel besser.

«Kämpfen musste ich nur einmal, als ich hochschwanger in die Geschäftsleitung hätte befördert werden sollen; einige Männer aber fanden, dass dies bis nach der Geburt meines Kindes warten könne.»

Stephanie Rielle

Führen Frauen anders als Männer?

Nein, definitiv nicht. Gute Führungskräfte gibt es bei Männern und Frauen, weniger gute ebenso. Allerdings habe ich immer wieder erlebt, dass Frauen oft mutige und auch unangenehme Entscheide treffen und umsetzen. Wichtig finde ich, dass Entscheidgremien gut durchmischt sind. Das gibt eine andere Diskussions-und Ergebnisqualität von Führungsentscheiden.

Woran liegt es Ihrer Meinung nach, dass Frauen noch immer weniger in Spitzenpositionen vertreten sind als Männer?

In der Führung gibt es immer wieder Phasen, in denen man sich durchbeissen muss. Auch bei mir musste – und muss – das Familienleben manchmal zurückstehen. Doch ich beobachte, dass mittlerweile nicht nur Frauen, sondern auch immer mehr Männer davor zurückschrecken, ihr Privatleben völlig der Arbeit unterzuordnen. Dazu bräuchten sie jemanden, der ihnen auf Kosten einer eigenen Karriere den Rücken freihält, und dieses Modell ist veraltet. Zudem passieren wichtige Karriereschritte im Alter zwischen 30 und 40, und wenn in dieser Zeit auch noch Kinder kommen, ist es ein grosser Kraftakt, alles unter einen Hut zu bringen. Dazu kommt, dass viele Frauen mehr an sich und ihrem Können zweifeln als Männer. Und sie sind in der Regel auch weniger gut vernetzt als Männer.

Was raten Sie Frauen, die für eine Spitzenposition angefragt werden oder eine solche anstreben?

Sie sollen sich nicht lange hinterfragen, sondern sich trauen und es einfach machen. Sie sollen sich immer wieder ihre Stärken vor Augen halten. Frauen wollen oft alles zu 150 Prozent richtig machen. Auch ich wollte zeitweise zu viel und zu schnell und war nicht immer kompromissbereit. Gestaltungswille ist wichtig, aber man darf das System nicht überfordern. Sicher braucht es Mut, andere Wege zu gehen, aber es lohnt sich!

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