Richterin mit Bodenhaftung
Kathrin Dietrich ist seit zwanzig Jahren Richterin, und diese Tätigkeit erfüllt sie nach wie vor sehr. Genauso gut hätte sie sich aber vorstellen können, Bäuerin zu werden. «Ich bin in Düdingen mit vielen Tieren aufgewachsen», erzählt sie, «und meine Eltern stammen beide aus Bauernfamilien.» Sie habe oft und gern auf dem Bauernhof eines Onkels ausgeholfen und hätte diesen Beruf gern ergriffen. Ihr Onkel riet ihr indessen, erst einmal die Matura zu machen und etwas zu studieren – Bäuerin könne sie immer noch werden. Sie folgte seinem Rat, und obwohl sie auch ein Tiermedizin-oder Agronomiestudium gereizt hätte, entschied sie sich schliesslich für das Rechtsstudium an den Universitäten Freiburg und Bern. «Ich war schon immer ein sehr gerechtigkeitsliebender Mensch», begründet die heutige Vizepräsidentin des Bundesverwaltungsgerichts ihre Wahl, «obwohl Jus nicht zwingend etwas mit Gerechtigkeit zu tun hat.»
«Ich war schon immer ein sehr gerechtigkeitsliebender Mensch.»
Kathrin Dietrich
Von Freiburg über Bern in die Ostschweiz
Bereut hat sie ihre Studienwahl nie. Nach dem Erwerb des Fürsprecherpatents arbeitete sie in der Privatwirtschaft, unter anderem bei der Swisscom. Im Jahr 2000 wechselte sie als Gerichtsschreiberin an die neu gegründete Rekurskommission Infrastruktur und Umwelt, da sie deren Themengebiete schon im Studium sehr interessiert hatten. 2002 wurde sie zur Richterin dieser Rekurskommission gewählt. Im Interesse einer guten Verfahrensführung schloss sie 2003 eine Ausbildung in Wirtschaftsmediation an der HSG ab. Zwei Jahre später folgte die Wahl ans Bundesvewaltungsgericht. Kathrin Dietrich, die zu jenem Zeitpunkt seit fast zwanzig Jahren im Bern wohnhaft war, zögerte nicht, mit dem BVGer in die Ostschweiz zu zügeln und in St. Gallen Wohnsitz zu nehmen. «Nach einem Jahr fehlten mir meine Berner Kontakte aber so sehr, dass ich wieder eine kleine Wohnung in Bern bezog», sagt sie. Heute lebt die gebürtige Freiburgerin am Thurgauer Bodenseeufer und hält sich regelmässig auch in Bern auf.
Steckenpferd Personalführung
Am Bundesverwaltungsgericht arbeitete Kathrin Dietrich zunächst in der Abteilung I. Da sie sich neben den rechtlichen Fragen immer auch sehr für die Organisation und Personalführung interessierte, übernahm sie bald auch zusätzliche Aufgaben für das Gericht. Besonders gut gefiel ihr die Zeit als Kammerpräsidentin und Präsidentin der Abteilung I. Da die Gerichtsschreibenden in der Kammer 1, der sie vorstand, im Pool-System arbeiten, war sie als Abteilungspräsidentin für deren Führung zuständig. Diese Personalführungsaufgabe vermisste sie später, was für sie mit ein Grund war, die Abteilung zu wechseln. «In der Abteilung II habe ich wieder mein eigenes Team, was ich sehr schätze.» Ein anderer Grund für den Wechsel war, dass sie Lust auf neue Rechtsgebiete hatte. Ihre Lust auf Neues hatte sie schon im Jahr 2018 dazu bewogen, an der Universität Freiburg einen CAS in Bau- und Immobilienrecht zu erwerben und ihre Kenntnisse in diesem Bereich zu vertiefen.
Seit fast zwei Jahren arbeitet die 55-Jährige, die in ihrer Freizeit gern Sport treibt, liest und viel draussen unterwegs ist, nun in der Abteilung II. Abgesehen davon, dass sie die Infrastrukturfälle vermisst, gefällt ihr das sehr. In Fällen mit Umwelt- und Baurechtsbezug und bei der Führung komplexer Beschwerdeverfahren profitiert sie von ihrem in der Abteilung I erworbenen Wissen. Und nicht zuletzt schliesst sich in der Abteilung II ein Kreis zu ihrem noch nicht ganz ausgeträumten Kindheitstraum vom Bauern: «Ich befasse mich sehr gern mit landwirtschaftsrechtlichen Fällen.»
Weitere Blogeinträge
Gerechtigkeit verwirklichen
Laut Anne Kühler ist Gerechtigkeit ein Ideal, dem sich die Rechtsordnung annähern sollte. Die ehemalige BVGer-Gerichtsschreiberin befasst sich an der Uni Zürich mit Recht, Moral und Gerechtigkeit.
Das Vertrauen in die dritte Gewalt stärken
«Die Justizöffentlichkeit liegt im ureigenen Interesse der Richterinnen und Richter», sagte Kathrin Alder anlässlich eines Referats, das sie im Oktober 2019 vor interessierten Gerichtsschreiberinnen und -schreibern des Bundesverwaltungsgerichts hielt. Die NZZ-Bundesgerichtskorrespondentin warb für mehr gegenseitiges Verständnis.